Georgsmarienhütte, ne Scheißstadt
Jüp, endlich mal ein geiles Metalfestival in meiner Nähe, zu dem ich nicht allein gehen musste; hatten sich unter anderem Gerrit und Nina bei mir in Osna angemeldet. Zwar kannte ich die Bands, die Georgsmarienhütte zum Beben bringen sollten, entweder gar nicht oder nur vom Hörensagen, aber 13 Euro für sieben Bands sollten Garant für viel Spaß und eine volle Bude sein. Also, ab in den Bus und ab zum Bowels Supper nach GM-Hütte!
Dort angekommen, fällt mir auf, dass GM-Hütte mal echt ne Scheißstadt ist, da wir uns ein paar schräge Blicke zu viel einfangen (vor allem im örtlichen McD.). Aber das nur am Rande. Endlich am Eventcenter B 51 (ehemals Dütehalle) angekommen, verzögert sich der Einlass erst mal um eine gute Stunde, die wir in der Scheißkälte verbringen müssen. Der Laden an sich geht aber echt in Ordnung. Auch wenn das Eventcenter an „normalen“ Wochenenden eher ein Discoschuppen zu sein scheint. An einigen Merchandiseständen können sich die Metaller ordentlich mit Zeux eindecken. Für mich anfangs enttäuschend, dass es an den Bierständen nur Warsteiner und Veltins gibt. Leute, wir sind hier in Niedersachsen! Jever und Becks sollten hier schon Standard sein (nach den ersten zehn Bieren wird mir dieser Umstand aber immer mehr gleichgültig). Nettes Schmankerl ist eine große Videoleinwand, auf der man das Geschehen auf der recht hohen Bühne mitverfolgen kann, wenn man zu faul ist, sich davor zu stellen.
Anguished
Kurz vor halb sieben werden Disinfect-Ersatz Anguished ohne vernünftigen Soundcheck auf die Bretter geschickt. Geboten wird hier wuchtiger Death Metal mit Anleihen an Six Feet Under, auch wenn hier das Riffing etwas filigraner als bei den Amis ist. Beim zweiten Song „Shadowworld“ kommen dann auch vereinzelt Banger an den Bühnenrand, um ihre Rüben zu schütteln. Der Fronter von Anguished bellt gut was weg und der Bassist lässt unentwegt seine Haare fliegen, während die anderen beiden Axtschwinger recht hüftlahm, aber dafür sehr konzentriert zu Werke gehen. Spätestens beim melodischen Deathmetallhammer „Fake“ ist der Sound aber glasklar, was auch für mehr Entspannung bei den Musikern sorgt. Im Midtempo bewegen sich „What is darkness to a blind man“ und „Tomorrow“, doch das Publikum in der ohnehin nur mäßig gefüllten Halle hält sich reserviert zurück, was sich auch bei „Hate me“, woran der Frontmann, auch mit dem Versuch die Leute zum Mitschreien zu animieren, nichts ändert. Mit „Frozen circle of pain“ beenden die Hanseaten ihr engagiertes halbstündiges Set. Das Phrasenschwein freut sich über 5€ wenn man hier von „solide“ spricht.
Infecdead
In der Umbaupause nervt der Soundmann mit unerträglicher Technomucke, die er nicht abzustellen gewillt ist, bis Thomas der Veranstalter dem guten Mann eine CD seiner Band in die Hand drückt und unsere Nerven etwas geschont werden. Infecdead müssen für ihren Gig ohne Bassisten auskommen, da man kurzfristig für Fragments of Unbecoming ins Billing gerutscht war. Von Anfang an drücken die Duisburger aufs Gaspedal; das leider mit unerträglich klinisch getriggerten Drums, die nach einigen Songs etwas nervig werden. Überwiegend im Blastbeatbereich lassen sich nun mehr Mosher vor der Bühne blicken. Die angesagten Songtitel von Frontgrunzer Andreas verstehe ich nicht immer, da alles im arschtiefen Growlbereich herausgegrunzt wird („Soul Perforation“, „Hate grows“ und „Warface“ meine ich rausgehört zu haben). Infecdead kommen nahezu ohne Soli aus und schreddern überwiegend im ICE-Tempo durch die Botanik, was mir nach einiger Zeit zu eintönig wird. Stumpf ist halt nicht immer Trumpf. Den Fans gefällts, wie man dem Applaus nach dem letzten Song „Last Supper“ und knapp halbstündigen Gig entnehmen kann.
Symbiontic
Symbiontic sind für mich die erste positive Überraschung des Abends. Der Opener wird von einem slayerartigen Lead getragen, bevor dann in bester Elchtodmanier losgeprügelt wird. Volker Binias ist nicht gerade der Typ, dem man nachts auf der Straße begegnen möchte, so bedrohlich kommen die imposanten Screams des bulligen Frontschreihalses rüber. Da muss sich die beim Metzger nebenan geschlachtete Sau wirklich ne Scheibe von abschneiden. Auch der Rest der Band ist fast durchgängig am headbangen und posen, wobei die Gitarristen Marcel Schiborr und Torsten Horstmann sich immer wieder ein Killerlick nach dem anderen aus dem Ärmel schütteln und nebenbei einige geile Soli zocken. Die Moshfront ist auch auf dem Plan und geht zur Freude der Band ganz gut ab. Songs wie „Bloodpath“ sind durchgängig prima arrangiert, gehen immer direkt in die Fresse und wirken zu keinem Augenblick vorhersehbar. Nach vierzig Minuten ist der Spuk vorbei und man fühlt sich angesichts der fetten Performance von Symbiontic nahezu wie von einem Panzer überfahren. Keine Frage warum diese Band von Quo Vadis- Fronter Stephane Paré für den amerikanischen Markt vertrieben wird, da Symbiontic eindrucksvoll beweisen, dass auch im heftigsten Death Metal für die ein oder andere Melodie Platz ist.
Prostitute Disfigurement
Gut voll wird es vor der Bühne, als Prostitute Disfigurement zum heiteren Grindcore einladen. Der Fronter Niels grunzt wie eine angestochene Wildsau, der neue Drummer wirkt so, als habe er sich kurz vorm Gig fünf Liter tiefschwarzen Kaffee einverleibt. Basser Patrick sorgt für offene Münder, da er mit seinen bis zur Wade reichenden Haaren die längste Matte hat, die ich je gesehen habe, und trotzdem einiges wegmosht. Songtechnisch zieht man einen Querschnitt durch die beiden Alben „Enbalmed Madness“ und „Deeds of Derangement“. Die Gitarrenfront zockt einige imposante Rifffiguren runter, die man im Geknüppel aber leider nicht immer ganz raushören kann. Ich bin irgendwann nur noch amüsiert, da Grindcore nicht ganz my cup of tea ist; doch die Leute findens geil und versammeln sich reichlich vor der Bühne. Kurz vor Schluss kommen auch noch zwei dürre Hardcore-PD–Fans auf die Bühne (welche vorher auch wunderbar mit einem geklauten Gebetsteppich ihrer Band vor der Bühne huldigten), um mit freien Oberkörpern und auf der Brust getapedten Bandinitialen für einen kleinen „Showeffect“ zu sorgen. Fazit: Nettes Geballer, zu keiner Zeit dilletantisch, aber eine Spielzeit von gut 45 Minuten für eine Grindcorekapelle ist einfach viel zu viel. [Armillus: Die wohl einzige Band bei der sich unsere Meinungen nicht ganz decken. Von mir aus hätte die Spielzeit noch länger sein können, dann hätte man nämlich die beiden Alben komplett durchgezockt. Vor allem bei Songs wie „Chainsaw Abortion“ oder „Disemboweled“ geht einem das Herz in Zärtlichkeit auf.]
Obscenity
Gegen kurz nach zehn lässt der Drummer von Obscenity bereits beim Soundcheck sein Können aufblitzen, bevor dem Publikum dann Death Metal à la Bolt Thrower serviert wird. Ganz schön oldschool die Jungs, aber die Bühnenperformance ist schon eindrucksvoll und routiniert. Auch dieser Frontmann growlt, was die Stimmbänder hergeben, und die Gitarrenfront lässt ein ums andere Mal ein geiles Killerriff auf die Menge los. Man merkt den 1989 gegründeten Urgesteinen der deutschen Death Metal-Szene ihre ganze Routine an. Songs wie „Bleed for me“ und „Perversion Mankind“ werden endlich, wie es sich für ein geiles Deathmetalgewitter gehört, von einer coolen Lichtshow in Form von Stroboskopblitzen unterlegt. Den Fans wird keine Verschnaufpause gegönnt, was ich später als Manko der Band empfinde, da dies mit der Zeit etwas zu stumpf auf mich wirkt. Aber Abrissbirnen wie „Cold Blooded Murder“ und der stürmisch abgefeierte Demosong „Utter Disgust“ aus guten alten Zeiten sind halt beste Oldschool-Kost. Das Fazit beschreibt wohl am besten die nebenstehende Zeichnung von Nora in meinem kleinen Notizbuch.
Quo Vadis
In der Umbaupause zu Quo Vadis zieh ich mir eben noch den wohl trockensten Döner aller Zeiten rein, bevor die Kanadier, die erst ihren zweiten Gig auf europäischem Boden abziehen (am Vortag spielte man bereits in Dortmund) die Bühne betreten. Und für die nächste Zeit gibt es eigentlich nur ein Wort: UNGLAUBLICH! Und das in allen, wirklich allen Belangen! Hier gibt es Metal vom Feinsten, wobei sich die Mannen um Fronter Stephane Paré nicht von irgendwelchen Stilarten des Schwermetalls einschränken lassen. Das aktuelle Album „Defiant Imagination“ wird mit Songs wie „Silence calls the Storm“, „Break the Cycle“ oder „Fate’s Decent“ hervorragend repräsentiert. Mal fett thrashig, mal Todesblei, dann wieder total geile Melodien, dann hyperprogressiv – fällt mir echt schwer, das in passende Worte zu kleiden. Alle Musiker sind total fit auf ihren Instrumenten: Drummer Yannic Bercier zerlegt sein Kit nach allen Regeln der Kunst, spielt dabei aber fein nuanciert und baut in jeden Part immer kleine Spielereien ein. Die Gitarrenfront leiert sich die geilsten Licks aus den Rippen, zocken irre Soli locker daher und bangen dabei wie wild, und auch der Bassist ist vom technischen Niveau keineswegs schlechter als seine Axtkollegen. Stephané shoutet bis growlt vom Feinsten durch die Gegend und hält die meisten Ansagen auf Deutsch ab. Die einzige, die in der Musik völlig untergeht, ist die Keyboarderin, deren Spiel erst beim späteren Hören des aktuellen Albums „Defiant Imagination“ rauszuhören ist. Quo Vadis zocken einen irre geilen, Wahnsinnsgig ab, wobei Jesper neben mir immer wieder fassungslos den Kopf schüttelt, so geil sind die Kanadier! Absoluter Burner für mich an diesem Abend ist der Song „Dead Man’s Diary“, den Stephané Dimebag Darrel widmet. Zum Ende gibt’s dann noch die frenetisch geforderte Zugabe mit „Hunter/Killer“. Eigentlich eine Schande, dass diese Band Europa livehaftig bisher vorenthalten wurde. Für mich die spielstärkste Band des Abends!
My Darkest Hate
Klar war hier natürlich, dass My Darkest Hate das erst mal toppen müssen. Aber um ein Uhr ist der Großteil des Publikums natürlich schon recht platt. Auch ich schaue mir den Gig aus der Distanz an. Bei den ersten beiden Songs hat die Band um Sacred Steel Gitarrist Jörg Knittel mit erheblichen Soundproblemen zu kämpfen, so dass aufgrund eines Mikrowackelkontakts My Darkest Hate vorerst nur instrumental durch die Boxen scheppern. Bei „Blood pounding Black“ sind diese aber behoben, und man kann die Band in vollem Sound genießen. Nur ist der Gesang nun zu laut. Songs wie „Assassin“ werden überwiegend im Midtempo gehalten und haben eine eindeutige Six Feet Under- Schlagseite. Bei „Only The Weak“ gibt es endlich mal Geknüppel, was den vereinzelt vor der Bühne stehenden Bangern noch mal einiges abverlangt. Letztendlich muss man My Darkest Hate einfach das Pech zuschreiben, nach Quo Vadis auftreten zu müssen, denn das Stimmungslevel ist jetzt nicht mehr zu überbieten. Den Jungs scheint das aber egal zu sein; und mit viel Spaß inne Backen beenden die Jungs ihren Gig mit „Scars“ nach einer knappen Stunde.
Alles in allem war das Bowels Supper III eine echt spaßige und (vom Eintrittspreis her) günstige Angelegenheit, bei der nur zu hoffen bleibt, dass der Veranstalter sich finanziell damit nicht allzu sehr in die Scheiße geritten hat – denn ein paar mehr Leute hätten den Weg in die Dütehalle dann doch antreten dürfen. Ich für meinen Teil hab ein paar gute Neuentdeckungen gemacht und auch nach den Gigs noch ein paar bierselige Momente.
Autor: Döni unter Mitarbeit von Armillus