Warten auf Godot – mit Funeral for a Friend
Die Nachricht, dass Iron Maiden am 24. November in Dortmund spielen werden, löste bei mir regelrechte Begeisterungsstürme aus. Schließlich hatte ich die Legende beim Metal 2000 Open Air in Oberhausen verpasst, weil ein gewisser Janick Gers meinte, einen Tag vorher in Mannheim von der Bühne stürzen zu müssen.
Egal, diesmal sollte es klappen – und dazu auch noch umsonst. Nachdem ich zwei Pressekarten inkl. Fotopass bei der Glocke in Oelde (noch mal heißen Dank! Ihr seid die Besten!)) angefordert hatte, ging’s am Montagmorgen per Zug mit meinen Spezis Gerrit und Martin gen Dortmund. Auf dem Programm bei mir standen noch ein Besuch bei Martin in Bochum (der das Konzert leider nicht sehen konnte) und anschließend etwas Vorglühen mit Gerrit für Maiden. Als wir dann an der Dortmunder Westfalenhalle angekommen sind, finden wir hier schon verdammt viele Maidenfans vor, die ungeduldig auf den Einlass warten. Schließlich ist es dann soweit, auch wir haben unsere Eintrittskarten und Gerrit das Glück, mit dem Fotopass am Seiteneingang eingelassen zu werden,während Nora, Jörn und ich uns einreihen müssen.
Die Stimmung in der Halle ist schon jetzt prächtig, und auch bei mir steigt der Adrenalinspiegel deutlich an (was das eine oder andere kühle Blonde noch beschleunigt). Erster Schock sind aber auf jeden Fall die Preise am Merchandisestand: T-Shirt = 30 Euro, Bandana = 22 Euro, 3 Sticker = 10 Euro, mickriges Programmheft = 15 Euro, Kapuzenjacke = 80 Euro, etc. So fällt mein Ansinnen, wenigstens ein Tourshirt an diesem Abend mitzunehmen, vorläufig ins Wasser, da ja noch einige Gerstenkaltschalen sowie die morgige Zugfahrt nach Münster anstehen. Als wir dann unsere Tribünenplätze inspizieren, bin ich zunächst noch enttäuscht, da unser Blick genau auf den linken Flügel der Bühne fällt und wir somit wohl kaum etwas vom Bühnenbild zu sehen bekommen werden. Die Zeit bis zu Maiden verbringen wir damit, jemanden zu finden, der Gerrit sagen kann, wann und wo sich die Fotografen treffen. Da aber keiner Ahnung hat, gurken wir ganz schön lange durch die Gegend, ohne zählbaren Erfolg zu haben. So überlasse ich dann Gerrit seinem Schicksal und schaue mir wenigstens etwas von der Vorband „Funeral For A Friend“ an. Das Quintett aus Wales, hierzulande ein noch eher unbeschriebenes Blatt, hat von Anfang keinen guten Stand, da den Jungs in den Pausen zwischen den Songs lauthals Maidenrufe entgegenschallen. Doch das nehmen sie locker hin, animieren das Publikum zu noch lauteren Rufen und lassen Lobeshymnen über Maiden ab und betonen, wie stolz sie seien, mit der Heavy Metal Legende touren zu dürfen. Der Sound während des Auftritts ist auch nicht der Beste, und musikalisch gibt’s hier ein Mischmasch aus Modern Rock, New Metal und etwas Hardcore. Aber für einen Song, der richtig schön thrashig nach vorne geht, gibt’s dann sogar anerkennenden Applaus. Trotzdem ist man dann irgendwie froh, als es vorbei ist, denn man ist ja schließlich wegen Maiden hier!
Iron Maiden und der Dance of Death
Mittlerweile entpuppen sich unsere Tribünenplätze als nicht soooo übel, da wir sowohl den Innenraum als auch die Tribüne komplett überblicken können und sogar noch sehen können, was hinter der Bühne passiert. So kann ich sehen, wie sich Nicko McBrain in Richtung seines Schlagzeugs begibt. Als dann das Licht in der Halle ausgeht und das Intro aus den Boxen dröhnt, bricht die Hölle aus: Tausende Kehlen brüllen lauthals Maiden, und als die dann mit „Wildest Dreams“ vom aktuellen Album „Dance of Death“ loslegen, gibt’s kein Halten mehr. Die Menge im Innenraum hüpft, was das Zeug hält, und die Leute auf der Tribüne bangen ihr Haupt und recken die Fäuste in die Luft. Die Band befindet sich in bester Spiellaune und Bruce Dickinson fegt wie ein Derwisch über die Bühne, ohne dabei gesanglich auch nur ein bisschen neben der Spur zu liegen. Nur geil! Bei den folgenden „Wrathchild“, „Can I Play With Madness“ und dem unsterblichen Klassiker „The Trooper“ (bei dem Dickinson mit wehenden Englandfahnen auf dem Laufsteg über dem Drumkit rumhantiert) ticken die Fans reihenweise aus und fressen der Band aus der Hand. Ohne Scheiß, ich habe schon viele große Konzerte gesehen, aber so eine geniale Stimmung wie an diesem Abend habe ich noch nie (!) erlebt!
Bald auch auf DVD – nur die Fotos wollten nicht so…
Nach „The Trooper“ gibt es dann die erste Ansage, die erst mal im kollektiven Jubel untergeht, als Dickinson betont, dass das heutige Konzert für eine DVD mitgeschnitten wird. Auch seine Hasstirade gegen jegliche Trends und MTV nehmen die Fans wohlwollend auf, denn schließlich seien sie der Grund, warum Maiden touren. Als dann „Dance of Death“ angekündigt wird, bin ich gespannt, wie der Song live funktioniert, da ich ihn auf der neuen starken Scheibe zu meinen Favoriten zähle. Bruce Dickinson verschwindet kurz hinter der Bühne, während die Band bereits den Anfang spielt, um sich kurz nachher verkleidet mit venezianischer Maske und einem Umhang auf einen Thron am linken Boxenturm niederzulassen, wovon er die erste Strophe aus singt. Schön theatralisch wirkt seine Performance, die damit endet, dass er mit dem Cape im Kreis herumwirbelt, was ziemlich geil aussieht. Währenddessen schenken sich die Gitarreros Adrian Smith, Dave Murray und Janick Gers gegenseitig nichts, rennen aktiv auf der Bühne rum und spielen trotzdem arschtight, während Steve Harris in seiner typischen Manier mit seinem Bass Richtung Publikum zielt. Nicko McBrain derweil macht sich einen Spaß daraus, ab und an einen seiner Drumsticks nach dem herumwuselnden Bruce Dickinson zu werfen, wobei sogar manch Stick sein Ziel findet. Das soll sich noch rächen, doch dazu später. Das folgende „Rainmaker“ wird auch super angenommen und ist live ebenfalls richtig geil.
Gerrit ist mittlerweile schon länger wieder auf der Tribüne, schmollt noch ein wenig und ist frustriert, fängt sich aber wieder und lässt sich so langsam von der Stimmung anstecken. Würde mich auch wundern, wenn dies nicht der Fall wäre, denn um nicht von dieser euphorischen Atmosphäre mit so viel geilen enthusiastischen Fans gefangen zu werden, müsste man entweder aus Eis oder tot sein.
Bei „Brave New World“ singt die Halle ganz gut mit, doch kurz danach steht eines der Highlights des Abends an: Roadies in Uniformen des 1. Weltkrieges bauen auf dem Laufsteg über dem Schlagzeug Stacheldrahtbarrieren auf, auf denen sie gleichgekleidete Puppen legen. Im Hintergrund läuft Kriegslärm vom Band, wie man es sonst nur von Metallicas „One“ kennt. Als dann Adrian Smith die ersten Töne vom neuen „Paschendale“ spielt, kocht die Stimmung über und nicht nur mir stehen die Nackenhaare zu Berge. Bruce Dickinson stolziert in der Uniform eines Offiziers in dem improvisierten Schützengraben hin und her und singt den Antikriegssong mit voller Inbrunst. Sowieso ist seine Gesangsleistung einfach nur mit dem Wort „göttlichst“ zu beschreiben. „Paschendale“ geht live unheimlich ab und hat das Zeug zu einem unsterblichen Klassiker, was mal wieder beweist, dass Maiden immer noch für zeitlosen Metal stehen.
Auf zum tosenden Finale
Als danach im tosenden Jubel Janick Gers die ersten Töne des nächsten Songs spielt, zeichnet sich bei mir auf der Stirn eine steile Falte ab, da ich den Song zuerst nicht eindeutig zuordnen kann und ihn anfangs mit dem neuen „Gates Of Tomorrow“ verwechsle. Als dann Bruce die ersten Zeilen singt, raffe ich erst, dass Maiden „Lord of the Flies“ vom nicht gerade beliebten „X-Factor“ spielen. Das Publikum reagiert auch erst noch verhalten, da dieser Song auf den damaligen Sänger Blaze Bailey zurechtgeschnitten ist und auch nicht wirklich gut ist. Doch als Bruce den Chorus um einiges höher, leidenschaftlicher und um Klassen besser als Bailey singt, verfliegen nicht nur meine Zweifel und mein Grinsen wird auch wieder breiter. Unverständlich für mich ist nur, warum Maiden direkt im Anschluss mit „No More Lies“ den schwächsten Song des neuen Albums spielen. Klar, live geht da trotzdem was, doch ist dieser Song einfach zu vorhersehbar und klingt wie ein zweites „Brave New World“. Also schaue ich etwas desinteressiert zu, wie nacheinander alle drei Gitarristen ihre Soli zocken, bevor danach klar wird, warum Maiden diesen Song eingebaut haben: Um mit dem direkt anschließendem „Hallowed Be Thy Name“ voll abzuräumen! Bruce rennt immer noch wie von einer Tarantel gestochen auf und ab, und im Soloteil darf das obligatorische „Lärmspielchen“ mit dem Publikum auch nicht fehlen. Aber es kommt noch besser: „Fear Of The Dark“ folgt hier nach, und was soll ich da noch sagen? Alle singen lauthals mit (sowohl den Text als auch die Gitarrenmelodien), Gänsehaut pur, nur geil…mir fehlen echt die Worte, um zu beschreiben, was seit den letzten beiden Songs abgeht. Als danach auch noch Bruce „Scream for me, Dortmund“ brüllt und das Publikum zurückbrüllt und sich noch mehr hochpushen lässt, ist klar, was jetzt kommt: „Iron Maiden“ bringt die Halle komplett zum Ausrasten, während auf dem Backdrop Maskottchen Eddie im Sensemannlook übergroß hinter dem Drums hochgefahren wird. Danach verschwinden Maiden erst mal hinter der Bühne, wo ich die Jungs die ganze Zeit sehen kann, während die Menge weiterhin Maidenrufe skandiert.
One more song, one more song!
Natürlich gibt’s noch ne Zugabe, schließlich sind noch nicht alle Klassiker gespielt worden. Doch vorher gibt’s noch ne kleine Rede von Bruce. Zunächst zerstreut dieser erst mal alle Gerüchte, dass die „Dance of Death“-Tour die letzte Tour Maidens sei – der Rest geht im tosenden Jubel des Publikums unter. Bei der Bandvorstellung gibt’s dann die späte Rache an Nicko McBrain („On the drums: TV-Camera. Next to TV-Camera: Nicko McBrain“). Mit „Journeyman“ legen Maiden eine lupenreine Unpluggedsession hin, wobei Bruce die Menge nach Belieben dirigiert, die den Chorus lauthals mitsingt. Als dann im Anschluss das Intro von „The Number of the Beast“ ertönt, steht die Halle mal wieder Kopf und auch Eddie ist nicht weit. Nach einem kleinen Schaukampf mit Janick Gers, der entgegen meinen Befürchtungen kein Stück nervt und einfach nur geil Show macht, wankt Eddie mit rotglühenden Augen von der Bühne. Nach dem abschließenden, schon fast obligatorischen „Run To the Hills“ verabschieden sich Maiden vom Publikum und spielen zur Enttäuschung aller keine weitere Zugabe mehr, was mir klar wird, als Monty Pythons „Always Look On The Bright Side Of Life“ als Outro läuft.
Egal, trotzdem geht’s mit reichlich Glückshormonen, die noch Zuwachs bekommen, als ich bei einem Bootleghändler ein Maidenshirt ergattern kann, ab zu Gerrit nach Hause. Nach einer lustigen Autofahrt mit Nora und Jörn kommen Gerrit und ich an unser Ziel.
Auch wenn die Ticket- und Merchandisepreise es in sich hatten, hätte ich den vollen Ticketpreis bereitwillig gezahlt, denn Maiden waren NUR geil. Geil war es auch, dass die Halle so gut wie ausverkauft war und fast 15.000 Leute in den Genuss dieses fantastischen Konzerts gekommen sind. Klar, ein paar Klassiker wie „The Evil That Men Do“, „Aces High“ oder auch „2 Minutes To Midnight“ haben gefehlt, und „No More Lies“ sowie „Lord of The Flies“ hätte man sich getrost sparen können, trotzdem war der Abend rundum gelungen (vielleicht sieht das Gerrit etwas anders, aber das ist eine andere Geschichte, die hier nicht von großer Bedeutung ist). Selbst nach fast einem Monat kommt ́s mir so vor, als sei das Konzert erst gestern gewesen. Wenn Maiden wiederkommen, bin ich auf jeden Fall wieder am Start – auch wenn’s noch teurer wird.
Autor: Döni